Das CP/M Betriebssystem
... oder was ist d'rauf auf der
zweiten Seite unserer Systemdiskette ?!




Auf unserem JOYCE gibt es nicht nur ein Betriebssystem, sondern zwei und beide werden von einer Systemdiskette geladen (gebootet). Das eine ist LocoScript, das andere ist das CP/M Plus. Daß es auch noch CP/M gibt, wissen die meisten; warum es das gibt, die wenigsten.

CP/M war bis zum Einzug von MS-DOS das Betriebssystem für Einzelrechner. Es war (und ist) verbreitet auf der ganzen Welt, wie heute MS-DOS, nur eben nicht so stark, weil es ja früher nicht soviel Rechner gab. CP/M ist einerseits ... vom Markt verdrängt worden, da es ein Betriebssystem für 8-Bit-Rechner ist und andererseits, weil ... (lassen wir das, es hat was mit Konkurrenzkampf zu tun). Aber (der letzte Satz muß genau gelesen werden) ist ! auch heute noch das weltweit verbreitetste Betriebssystem für 8-Bit-Rechner wie unseren JOYCE. ...

(Mit freundlicher Genehmigung frei zitiert nach:
Hartmut Krummrei. Einführung in CP/M.
In: Runds chlag, Nr. 14, 'Zeitschrift für CPCler'. Schwendi, 1994; Seite 12.
Die kursiven Textpasagen sind Einfügungen und Ergänzungen der Redaktion.)

Seit ich mit dem JOYCE arbeite und Kontakt zu anderen JOYCErn habe, begegnet mir immer wieder die Frage 'Was ist d'rauf auf der zweiten Seite der JOYCE Systemdiskette ?'. Mit der ersten Seite wird bekanntlich das Textverarbeitungsprogramm LocoScript geladen, doch die zweite Seite gibt nicht viel her ... zwar wird da auch etwas geladen, doch nach dem A> ist ersteinmal Schluß. Viele JOYCEr versuchen nun der zweiten Seite der Systemdisk mit LocoScript zu Leibe zu rücken 'Was steht d'rin in den Dateien mit den komischen Namen wie SHOW.COM oder BASIC.COM ?' Dies ist jedoch der falsche Weg, denn die Dateien lassen sich nicht mit der Taste [B] für Bearbeiten aufrufen (ganz falsch ist diese Vorgehensweise nicht, bekundet sie doch Interesse am eigenen Computer). Wenn ich ehrlich aber bin, habe ich in meinen ersten JOYCE Tagen auch versucht, diesen sonderbaren Dateien auf den Grund zu gehen. Auf diese Weise natürlich ohne Erfolg. Auch der Versuch diese Dateien in einen bereits vorhandenen LocoScript einzulesen (Text einfügen) bringt allenfalls undefinierbare Zeichen auf den Bildschirm. Und wer jetzt nicht zum Handbuch greift, dem beiben die Geheimnisse der zweiten Seite für immer verborgen. Eine Möglichkeit gibt es natürlich noch ... diesen Artikel weiterlesen.

Um das Geheimnis der zweiten Seite zu lüften, müssen wir erst einmal verstehen, was CP/M Plus eigentlich ist. Den geschichtliche Aspekt, wann und wie CP/M Plus entwickelt wurde, hat DangSoft bereits in seinem Beitrag 'Die CP/M Story ... in Memoriam Gary Kildall ...' Klubzeitung 37, Seite 8 dargelegt. CP/M ist wie MS-DOS, UNIX oder OS/2 ein sogenanntes Betriebssystem, eine Sammlung von Programmen, die dem Computer erst zum Leben erwecken. Vom Betriebssystem werden die Grundfunktionen des Rechners gesteuert. Es stellt die Zusammenarbeit der einzelnen Komponenten (Tastatur, Bildschirm, Diskettenlaufwerk) sicher.

Um die Aufgaben eines Betriebssystems zu verstehen, sollte man sich noch einmal die grundsätzlichen Funktionen eines Microcomputers vor Augen führen.

Der ohne Zweifel wichtigste Baustein eines Computers ist die Zentraleinheit (CPU = Central Processing Unit). Trotz der Wichtigkeit der CPU ist sie, für sich allein genommen, völlig sinnlos. Erst im Verbund mit Speicherbausteinen und Ein- / Ausgabeeinheiten erhält man ein funktionsfähiges System. Auch diese Bauteilie sind - wie die CPU - hochintegrierte Schaltungen, d.h. sie werden prinzipiell aus lauter Transistoren, oder anschaulich gesehen, aus elektronischen Schaltern zusammengesetzt. Über die Anschlüsse der CPU (die Pins) werde ihr Befehle, die in Speicherbausteinen gespeichert sind, zugeführt. Die im Speicher festgehaltenen Befehle bilden in ihrer Gesamtheit ein Programm. Ist kein Speicher, und damit kein Programm, vorhanden, läuft gar nichts, da die Zentraleinheit 'nicht weiß, was sie tun soll'. Es muß also ein Programm her, das die wichtigsten Funktionen des Rechners steuert. Zu den Aufgaben dieses Programms gehört z.B. die Kommunikation mit den angeschlossenen Geräten (der sogenannten Peripherie). Regelmäßig wird geprüft, ob eine Taste auf der Tastatur gedrückt ist, wenn dem so ist, wird festgestellt, um welche Taste es sich handelt, oder es wird die Ausgabe eines Zeichens auf dem Bildschirm von diesem grundlegenden Programm vorgenommen.

In einer (wie immer gewagten) Analogie zum Menschen entsprechen diesem Programm die lebenswichtigen Körperfunktionen, die auch schon beim Neugeborenen vorhanden sind. Genau diese Funktionen bilden das Betriebssystem. Natürlich handelt es sich auch bei dem Betriebssystem eines Computers um ein Programm, genauso wie Wordstar oder dBase. Gemeinsam ist allen Programmen, daß sie aus bereits erwähnten Befehlen, die die Zentraleinheit direkt versteht, aufgebaut sind. Dennoch nimmt das Betriebssystem eine Sonderstellung ein. In der Analogie können wir das Betriebssystem mit dem Kleinhirn, das einen Großteil der Vitalfunktionen steuert, und das Anwenderprogramm mit dem Großhirn vergleichen. Das Großhirn fällt z.B. die 'Entscheidung' einen auf dem Tisch liegenden Kugelschreiber zu greifen, die Motorik der Hand wird danach hauptsächlich vom Kleinhirn gesteuert.

Das Betriebssystem wird also für ständig wiederkehrende grundlegende Vorgänge benötigt. Das eigentliche Anwenderprogramm läßt all diese Aufgaben von Betriebssystem ausführen. Damit ein Programm nicht nur auf einem einzigen Rechner laufen kann, wurde versucht die Betriebssysteme so zu konstruieren, daß ein Programm auf allen Rechnern, die das jeweilige Betriebssystem besitzen, läuft. Dazu gibt es feste Vorschriften, nach denen man eine Funktion des Betriebssystems (z.B. sende ein Zeichen an den Drucker) aufrufen muß.

Wie Sie sehen, ist eines der wichtigsten Kriterien für die Auswahl eines Computers das Betriebssystem. Kann ein Rechner, wie der JOYCE, ein weit verbreitetes Betriebssystem wie z.B. CP/M fahren, steht auch die gesamte Software-Palette zu diesem Betriebssystem zur Verfügung. Unter CP/M stehen Ihnen diese Programme für fast alle Anwendungen zur Verfügung. Sind diese Programme nicht speziell für den JOYCE geschrieben, so können sie vom Fachmann angepaßt werden.

Soviel zum Nutzen des Betriebssystem für den Anwender.

Falls Sie ihren JOYCE nicht selbst programmieren wollen, kommen Sie mit dem Betriebssystem nur wenig in Berührung. Für den Maschinenspracheprogrammierer ist ein Betriebssystem eine tolle Sache: Viele wichtige Unterprogramme brauchen nicht extra selbst entwickelt werden. Damit entfällt ein großer Teil des Programmieraufwandes.

Genau wie LocoScript, wird auch CP/M Plus automatisch, nach dem Einschalten des Rechners und dem Einlegen der Diskette geladen. Wichtig ist, daß niemals eine Diskette im Laufwerk liegt, wenn der Computer an- oder ausgeschaltet wird. Durch eventuell kurzfristig auftretende Spannungsspitzen können Informationen auf der Diskette zerstört werden. Aber auch die Mechanik des Laufwerkes kann in Mitleidenschaft gezogen werden. Also: Anschalten, Diskette mit CP/M Plus einlegen (die gewisse zweite Seite der Systemdiskette zeigt dann nach links) und den Ladevorgang abwarten. Zunächst erscheint die Einschaltmeldung. Warten Sie mit dem Herausnehmen der Diskette bis das Laufwerk steht (auf die Laufgeräusche des Laufwerkes achten) und bis das Promptzeichen 'A>' angezeigt ist, was bedeutet, daß nun Eingaben erwartet werden. Die ersten Angaben in der zweiten Zeile der Einschaltmeldung geben die Versionsnummer (V1.4) und den zur Verfügung stehenden Speicherplatz für Programme an (61K TPA = 61 Kilobyte Transistent Programm Area).

Dullin, Straßenburg; Das große JOYCE Buch; Ein Data Becker Buch; Düsseldorf 1986; Seite 130ff.

Immer wenn CP/M das Promptzeichen (Lauf werkskennbuchstabe gefolgt von einer Dreiecksklammer, z.B. für das Laufwerk M: = M>) ausgegeben hat, wird die Eingabe eines Befehles erwartet. Und den ersten Befehl, der nun im Zusammenhang mit der Erkundung des 'Geheimisses der zweiten Seite' eingegeben werden sollte, lautet DIR. Aktiviert wird dieser Befehl mit der [RETURN]-Taste. Dabei ist die Eingabe mittels Groß- oder Kleinbuchstaben egal, CP/M weiß auch so was gemeint ist: DIR steht für DIRectory, sprich für das 'Inhaltsverzeichnis' und listet selbiges auf dem Bildschirm auf. Und nun begegnen uns die seltsamen Namen, die uns schon bei der Betrachtung der Disk unter LocoScript aufgefallen sind:

BASIC.COM      DIR.COM      DISCKIT.COM      ED.COM      
ERASE .COM      J14GCPM3.EMSKEYS .WPLANGUAGE.COM      
PALETTE .COM      PAPER .COM      PIP .COM      PROFILE .GER
RENAME .COM      RPED .BASRPED .SUBSET .COM      
SET24X80.COM      SETDEF .COM      SETKEYS .COM      SETLST .COM      
SETSIO .COM      SHOW .COM      SUBMIT .COM      TYPE .COM      

Diese Dateien kennzeichnen sogenannte Dienstprogramme, da sie den Anwender, sprich dem Computerbenutzer gewisse Dienste erweisen. Welche Dienste das sind läßt sich nicht immer klar aus den Namen dieser Programme erkennen; wer aber über einwenig Englisch-Kenntnise verfügt, kann schon einiges erahnen. Nehmen wir z.B. das Programm SHOW.COM- show heißt zeigen und dieses Programm will uns tatsächlich etwas zeigen, nämlich den freien Speicherplatz auf der Diskette. Also einfach 'mal ausprobieren:    SHOW < RETURN>.   Schwieriger sieht es da schon mit dem Programm PALETTE.COM aus, denn der Aufruf   PALETTE < RETURN>    zeigt keine Wirkung. Hier hilft nur das Handbuch weiter (man kommt also nicht drumrum). Weitere Infos zu den Dienstprogrammen SHOW.COM und PALETTE.COM gibt es hier mit einem KLICK ;-)

Alle Dienstprogramme mit dem mit der Endung .COM sind sogenannte COMmand-Dateien und können direkt mit dem Aufruf ihres Namens (z.B. SHOW) gestartet werden. Anders verhält es sich mit Programmen, die andere Endungen, die sogenannten Extensionen, aufweisen. Die Extensionen geben Auskunft über den Charakter einer Datei und sind deren Kennzeichen. So kennzeichnet z.B. die Extension .BAS Basic-Programme, und die Extension .SUB kennzeichnet Unterprogramme für SUBMIT.COM. Das Programm RPED.BAS wird durch die Eingabe BASIC RPED aufgerufen, das Unterprogramm PROFILE.SUB durch die Eingabe SUBMIT PROFILE   <RETURN>. Was diese Programme für Dienste erweisen, mag jeder selbst im Handbuch nachlesen oder eigenständig ausprobieren. Denn Probieren geht über Studieren ! Und keine Angst, man kann nichts kaputt machen. (Eine Ausführung zu RPED.BAS und PROFILE.SUB würde den Rahmen dieses Beitrages sprengen - aber vielleicht schreibt ja ein anderer JOYCEr in einer der nächsten Klubzeitungen einen Beitrag über RPED.BAS und PROFILE.SUB.)

FAZIT: Das CP/M Betriebssystem ist die Ebene, auf der CP/M spezifische Anwenderprogramme (wie Dienstprogramme, Spiele etc.) laufen können. Wie's geht habe ich angesprochen. Was dabei herauskommt muß nun jeder selbst erforschen, durch entsprechendes Ausprobieren und durch Lesen der Handbücher. Denn dies befördert den Computerspieler zum Computeranwender. Wer sich mit der CP/M-Materie auseinandersetzt und daruch die Zusammenhänge erkennt, wird keine Schwierigkeiten haben, wenn er oder sie wirklich einmal auf einen PC wechseln muß. So leicht wie der JOYCE ermöglicht kaum ein anderer Rechner den Einstieg in die Computerwelt.




Abgedruckt in Klubzeitung Nr. 38.    Autor: Werner Neumeyer-Bubel